Viele Autokäufer, insbesondere solche der Dieselfahrzeuge mit dem Motor EA 189 aus dem VW-Konzern haben in der Vergangenheit erfolgreich Schadensersatzansprüche gegen die Autohersteller geltend machen können, weil ihre Fahrzeuge von dem hinlänglich bekannten „Dieselskandal“ betroffen waren.
Einige Fahrzeugbesitzer haben es aber auch versäumt, ihre Rechte zu verfolgen und sahen sich sodann der Einrede der Verjährung ausgesetzt. Nach der Argumentation von VW wurde ab September 2015 ausgehend von einer Pressemitteilung vom 22.09.2015 über den sogenannten Abgasskandal betreffend die Motoren des Typs EA 189 öffentlich berichtet. Außerdem seien die betroffenen Autobesitzer spätestens im Jahr 2016 durch ein Informationsschreiben der Volkswagen AG nicht nur von dem Diesel- oder Abgasskandal im Allgemeinen, sondern auch von der individuellen Betroffenheit ihrer Fahrzeuge in Kenntnis gesetzt worden. Spätestens ab dem Jahr 2016 sei den betroffenen Autobesitzern eine Klage gegen VW zumutbar gewesen, so dass nach der allgemeinen Verjährungsfrist Schadensersatzansprüche gegen VW spätestens mit Ablauf des Jahres 2019 verjährt seien.
Diese Argumentation betraf die Verjährung eines Schadensersatzanspruches wegen sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB. Sie wurde von den Instanzgerichten bestätigt und wird auch durch die jüngste Entscheidung des BGH nochmals bekräftigt.
Allerdings hatten sich die Kläger in den nunmehr durch den BGH entschiedenen Sachverhalten zusätzlich auf einen Anspruch gemäß § 852 BGB berufen. Demnach hat der Ersatzpflichtige einer unerlaubten Handlung das herauszugeben, was er auf Kosten des Verletzten erlangt hat. Für diesen Anspruch gilt aber eine verlängerte Verjährungsfrist von 10 Jahren. Nachdem in der obergerichtlichen Rechtsprechung Uneinigkeit zum Umfang des im Fall des Neuwagenkaufs über einen Vertragshändler im Sinne des § 852 Satz 1 BGB „Erlangten“ bestand, war die Revision zugelassen worden.
Im Rahmen des Revisionsverfahrens hat der BGH nunmehr zugunsten der dortigen Autokäufer entschieden, dass der Anspruch auf Herausgabe des aus der unerlaubten Handlung „Erlangten“ gemäß § 852 Satz 1 BGB ohne Rücksicht darauf besteht, dass VW auch vor Ablauf der Verjährung ohne Schwierigkeiten als Schädigerin hätte in Anspruch genommen werden können. Der Geltendmachung eines Anspruchs aus § 852 Satz 1 BGB stehe auch nicht entgegen, dass sich die Autokäufer nicht an einem Musterfeststellungsverfahren beteiligt hätten.
Der BGH hat insoweit weiter entschieden, dass die Volkswagen AG die Käufer jedenfalls von Neufahrzeugen durch das Inverkehrbringen der Fahrzeuge geschädigt habe und ihnen das durch diese Schädigung „Erlangte“ herausgeben muss. Erlangt im Sinne von § 852 Satz 1 BGB hat VW nach der Entscheidung des BGH insoweit bei einem Verkauf unmittelbar an die Geschädigten den vollen Kaufpreis und im Fall des Ankaufs eines Neuwagens vom Händler den von diesem Händler gezahlten Händlereinkaufspreis.
Herstellungs- und Bereitstellungskosten darf VW nach der vorzitierten Entscheidung des BGH von dem zu erstattenden Kaufpreis bzw. Händlereinkaufspreis nicht gemäß § 818 Absatz 3 BGB abziehen, weil VW sich im Sinne der §§ 818 Abs. 4 und 819 BGB bösgläubig bereichert habe. Allerdings reiche der Anspruch auf Restschadensersatz nach §§ 826, 852 Satz 1 BGB nicht weiter als der Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB, der grundsätzlich dem Vorteilsausgleich unterliegt. Die Autobesitzer müssen sich deshalb eine Nutzungsentschädigung für die von ihnen mit den Fahrzeugen gezogenen Kilometer anrechnen lassen und können Zahlung Zug um Zug gegen Herausgabe der Fahrzeuge verlangen.
Urteile des BGH vom 21.02.2022, Az. VIa ZR 8/21 und VIa ZR 57/21
Fazit
Als Ergebnis zu der dargestellten Entscheidung kann festgehalten werden, dass Besitzer von Dieselfahrzeugen, insbesondere mit dem Motortyp EA 189 aus dem Konzern der Volkswagen AG unter Einschluss der Marken VW, Audi, Seat und Skoda, auch heute noch erfolgreich Zahlungsansprüche gegen VW durchsetzen können. Das gilt jedenfalls für diejenigen Autobesitzer, die ihre Fahrzeuge als Neuwagen in der Zeit zwischen 2012 und September 2015 erworben haben.
Besitzer von Dieselfahrzeugen der Marken VW, Audi, Seat oder Skoda sind daher auch heute noch gut beraten, einmal zu überdenken, ob sie schon Zahlungsansprüche gegen VW geltend gemacht haben. Sollte das nicht der Fall sein, ist es nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH auch heute und trotz des bereits seit mehreren Jahren bekannten „Dieselskandals“ immer noch möglich, VW für das sittenwidrige Inverkehrbringen der betroffenen Fahrzeuge in Anspruch zu nehmen.
Im Fall einer vorhandenen Rechtsschutzversicherung können entsprechende Ansprüche zudem ohne Kostenrisiko verfolgt werden. Bei Fragen sprechen Sie uns gerne an!
Verfasser: Andreas Viertel